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Auf ein Telefonat mit Johnny Haeusler

Johnny Haeusler: „Ich sag’s mal so: Kleiner ist leichter.“

Als ich 2011 das erste Mal mit dem Zeug in Kontakt kam, war ich mir sicher, es nie wirklich zu verstehen. Zu undurchsichtig, zu komplex, zu laut, zu leise, zu perfide, zu subtil, zu flauschig, zu übervoll. Wer sich so etwas ausdenkt, muss ein Problem mit Aufmerksamkeit haben. Und die Nutzer auch.

Okay, dieser Gedankengang ist semi und entspricht nicht ganz dem, was wirklich in meinem Kopf vorging, als ich bei achtung Social Media kennenlernte. The schon damals Next Big Thing, das sich nie durchsetzen sollte. Mal so, mal so. Bis ich das erste Mal in meinem Leben von der re:publica hörte und sie auch noch selbst als Teilnehmer besuchte. Was mich anfangs überforderte, begann ich mit anderen Augen zu betrachten.

Früher wurden wir immer davor gewarnt, wenn wir Menschen zum ersten Mal in real trafen, die wir vorher im Internet kennengelernt hatten. Es war etwas Anrüchiges, Verwegenes, wenn man sich online unterhielt, ohne sich je wirklich vorher getroffen zu haben. Wie das „sprich nicht mit Fremden, steig zu Niemandem ins Auto“. Aber ich stieg ein und fühlte mich wohl. Ich fühle mich heute auch noch wohl und verdiene schon ein paar Tage länger als gedacht erfolgreich meinen Lohn damit.

Denn mich fesseln die technischen Umständlichkeiten, die vielschichtigen, gesellschaftlichen Debatten und irgendwie auch das Breitbandvolk selbst, das sich täglich neu erfindet und immer wieder empfindet, welch’ schlüpfrigen Befürworter sich eigentlich ihr Eigen nennen.

Und dann war da eben diese eine einzige Konferenz, die sich alle zum Vorbild nahmen. „Eine re:publica, um sie alle zu knechten.“ Und er hat es wahrlich geschafft: Johnny Haeusler, kreativer Großgeist, Befruchter und Hebamme der jährlich wachsenden Konferenz raumloser Menschen, die alle nur eines wollen: digital sein.

Ich rief ihn an.

Ich: Hallo Johnny, wie ist der Stand der re:publica-Vorbereitungen?

J. Haeusler lacht: Das ist eine extrem gute Frage, die wir auch jeden Tag diskutieren. Also es ist im vollen Gange. Wir sind wirklich tatsächlich täglich jetzt rund um die Uhr dabei, vorzubereiten, das Programm einzutüten, die Halle wieder zu bespielen – die ist ja sehr, sehr groß und es müssen die einzelnen Räume zugeordnet werden, je nachdem wie viele Workshops und Vorträge und Panels wir tatsächlich haben am Ende, was auch wieder mit dem Call-for-Papers zusammenhängt, der noch bis Ende des Monats geht… Dann gibt es die üblichen Fragen rund ums Design und die Darstellung nach außen und und und… Also wir sind mittendrin und sind voll dabei.

Ich: Wird es eine Rock-Einlage von Plan B geben?

J. Haeusler: Ich glaube, eher nicht. Nein, ich glaube, das will ich trennen. Ich hab ja auch auf der Tour ein paar Leute getroffen, die einen eher über Spreeblick oder die re:publica kennen und dann erst mitgekriegt haben: „Ach guck ma, der hat auch ma Musik gemacht“. Aber das waren doch die Wenigsten. Ich glaube, das sind schon unterschiedliche Menschen. Die einen stellen dann fest: „Ach, ich mochte Plan B und jetzt schreibt er auch und macht andere Sachen und finde das interessant“. Aber die Schnittmengen sind da gar nicht so groß.

Ich: Dein Name steht mittlerweile für „weltweite digitale Vernetzung“, habe ich gestern gelesen…

J. Haeusler lacht wieder.

Ich: …ein Zitat auf Wikipedia, Du lachst!

J. Haeusler: Ach, echt?

Ich: Ja…Weißt Du, dass Du einen Eintrag hast?

J. Haeusler: Ja, das weiß ich. Das auch irgendjemand mal angelegt hat und das ist nicht immer ganz up to date, weil das ist auch ok, weil da sitzt ja niemand, der mein persönlicher Chronist ist. Und ich geh dann selber auch nicht ran, weil ich das so peinlich finde, wenn man seine eigenen Wikipedia-Einträge verändert. Aber nee, dass es den gibt, weiß ich schon und es ist tatsächlich so, dass, manchmal, wenn man von etwas anstrengenderen Leuten genervt wird, dann schick ich so ganz arrogant den Link rüber. Natürlich ist das ganz eklig, aber manchmal kann man das machen.

Ich: Mit der re:publica hast Du ja im Grunde das Internet in die Offline-Welt geholt. Wo wird der Schwerpunkt in diesem Jahr liegen?

J. Haeusler: Das Motto ist ja „in|side|out“ und da kommt man natürlich sofort auf das Thema Transparenz. Aber es wird ja immer noch davon geredet, dass es so die Online und Offliner gibt und dass das verschiedene Welten wären, während wir glauben, dass das eigentlich immer mehr zusammenfließt. Und darum wollen wir in bestimmten Bereichen auch mal nachfragen: Was heißt denn das? Wer ist überhaupt inside und wer ist outside? Und dreht sich das nicht dauernd. Das werden wir visuell umsetzen das Motto. Man wird auch auf der Veranstaltung Gelegenheit haben, unterschiedliche Blickrichtungen zu haben, sage ich mal vorsichtig. Ohne zu viel zu verraten. Und natürlich geht es da von Politik über Unternehmen bis zu dem, was wir als Privatleute im Netz tun, um alle möglichen Themen, die mit den verschiedenen Sichtweisen und Transparenz und Intransparenz zu tun haben.

Ich: Wünschst Du Dir mit Deinem Orga-Team einen besonderen Ausgang der drei Tage in 2013?

J. Haeusler: Ich glaube, das, was wir immer angestrebt haben, bisher eigentlich immer gut erreicht haben. Ich selbst, der wahrscheinlich am wenigsten Vorträge sieht von allen – als Mitveranstalter bekommt man ja sehr wenig von dem Spektakel mit, weil man sich mehr mit Gästen unterhält, was ich übrigens sehr liebe. Mir selbst geht es auch so, dass ich einfach wahnsinnig inspiriert und mit einem wahnsinnig vollen Kopf nach den drei Tagen immer von der re:publica zurückkehre und ganz viele, tolle neue Ideen hab, und man müsste ja mal und hier muss man noch mehr machen. Was mich immer freut, ist, wenn wir auf der re:publica ein paar Sprecherinnen und Sprecher haben, die so ein bisschen unerwarteter sind. Also natürlich sind viele von denen dabei, die man als „übliche Verdächtige“ bezeichnet, weil sie ja auch was zu sagen haben, aber wir bemühen uns schon, immer wieder Leute zu finden, die aus einem vermeintlich ganz anderen Umfeld kommen, also gar nicht aus dem Online-Bereich kommen, die aber trotzdem unseren Blick öffnen können, was da gerade so passiert. Sei es, dass sie historisch Dinge ganz anders betrachten oder so. Man kann, glaube ich auch, über Papier reden und dabei etwas für die Online-Publikation ableiten.

 

Ich: Gutes Stichwort: übliche Verdächtige. Wenn Du die Besucher von damals und heute miteinander vergleichst – sieht man immer noch den puren Digitalo oder verbreitert sich die Interessengruppe?

J. Haeusler: Das ist schon längst viel, viel mainstreamiger geworden. Und das ist auch gut, das war auch das Ziel. Also es gab schon Momente bei der re:publica, wo man überlegt hat, entweder müsste man das jetzt künstlich kleinhalten, um halt nicht zu groß zu werden. Das bringt ja auch Probleme mit sich, vom finanziellen Problem ist das jetzt wahnsinnig groß geworden bis hin zu Fragen, ob man noch die Themenfelder richtig abdecken kann und ob man Talks eher für Einsteiger machen muss oder ob man schon ganz viel Wissen voraussetzen kann. Ist es nicht ganz einfach, das wachsen zu lassen. Aber, wenn wir das nicht gemacht hätten, wenn wir das künstlich klein gehalten hätten, dann wäre das irgendwann eine elitäre Geschichte. Dann hätten entweder nur die, die ganz schnell was auf Twitter mit bekommen, ihre Tickets erhalten. Oder aber es wäre dann zu Recht der Vorwurf entstanden, wir würden das nur für den kleinen Kreis machen. Deswegen haben wir irgendwann tatsächlich gesagt, wir lassen das jetzt so wachsen, wie es geht. Und wie es natürlich gesund bleibt, dass wir es noch handhaben können.

 

Ich: Absolut. Aber Ihr seid ja auf einem sehr erfolgreichen Weg, denk ich.

J. Haeusler: Ja, wobei das ist schon jedes Jahr eine neue Herausforderung. Es ist schon irre! Manchmal wünschte ich mir, dass… Ich sag’s mal so: Kleiner ist leichter.

 

Ich: Sprich: Die erste re:publica dann damals.

J. Haeusler: Ja, also das war natürlich eine ganz andere Nummer. Inzwischen ist es wirklich wahnsinnig groß, aber auch ohne dass man da ein Team von 50 Leuten dransetzen kann. Das ist schon sehr anstrengend für alle.

Ich: Woran erinnert man sich noch, wenn man heute ein Event plant, das sich in seiner Dimension so „bewegend“ und richtungsweisend für die Branche entwickelt hat?

J. Haeusler: Ich mochte die ganze Atmosphäre auf der re:publica immer. Das war immer so eine Mischung: einerseits hat man die ganzen Leute immer getroffen, die man online auch kennt und mag. Und andererseits waren aber auch immer Menschen da, die man vielleicht online nicht kannte, die aber ein völlig neues Gesicht bekamen, wenn sie vor einem stehen und wenn man sich mal wirklich von Angesicht zu Angesicht unterhält. Darum hab ich die re:publica auch immer so als Eisbrecher betrachtet. Was die Veranstaltung hat, ist, dass sie im Gegensatz zu ganz anderen Konferenzen so eine Festivalatmosphäre hat und da bin ich ganz froh, dass das tatsächlich im letzten Jahr, also 2012, in der Station auch so geblieben ist, obwohl es soviel mehr Leute waren. Und seitdem sind wir, was die Location angeht, eine ganze Ecke entspannter, weil wir schon davor die Sorge hatten, können wir eine angenehme familiäre Atmosphäre auch in großen Sälen behalten? Und das hat funktioniert, was in aller erster Linie an den Leuten liegt. Die ganzen Internet-People, wie Sascha Lobo immer sagt, sind im Grunde ihres Herzen einfach wahnsinnig soziale Menschen, die sich gerne austauschen und sich gerne mit anderen unterhalten.

Ich: Ein Tipp von Dir, was man bei dem Besuch einer re:publica unbedingt machen muss.

J. Haeusler: Ich glaube, ganz wichtig ist es, sich vorher einen Plan zu machen, was man hören möchte und sich dabei nicht übernehmen. Ich glaube, wenn man vier längere Talks und einen Workshop pro Tag plant, dann ist man echt gut ausgelastet. Ich stelle das fest, wenn ich zwei Talsk hintereinander gesehen habe, die jeweils fast eine Stunde gingen plus Diskussion, dann ist mein Kopf schon echt voll. Was ich mir jedes Jahr vornehme, was ich aber nie schaffe, ist, dass ich mir Notizen mache. Es gibt ja ein paar Leute, die bloggen immer sofort, wenn sie irgendwas gesehen haben, sich so stichpunktartig aufschreiben, was erzählt wurde. Das finde ich super gut. Das ist so eine Gedächtnisstütze. Und wenn ich das zeitlich schaffen würde, dann würde ich das auch tun. Bei fremden Konferenzen mache ich das zum Beispiel. Wenn ich woanders zu Gast bin und mir Talks anhöre, dann mache ich immer gleich ein paar Notizen und kann das dann hinterher im Zug noch mal Revue passieren lassen und mich noch mal fragen, war das wirklich toll, was der erzählt hat? Oder war der nur ein guter Entertainer?

 

Ich: Wenn Du nicht digital vernetzt und Preise verdienst, hast Du Dein Plektron in der Hand. Warum belebt man eine Band wieder, die man vor Jahren schlafen gelegt hat?

J. Haeusler: Da gibt es ganze viele, verschiedene Gründe für. Der erste ist, dass ich es vermisst habe. Ich habe einfach gemerkt, dass ich die letzten zehn, zwölf Jahre meines Lebens so verbracht habe, wie ich es nie tun wollte: nämlich an einem Schreibtisch sitzend vor dem Computer. Das macht mir Spaß, weil ich da auch kreativ arbeite. Ich schreibe Texte, ich plane Veranstaltungen oder was auch immer. Es geht nicht darum, dass ich meine Tätigkeit nicht mag. Aber irgendwie hat es mir nicht mehr gereicht. Und ich habe auch festgestellt, dass egal, was man tut, wenn man sich immer nur mit einem Themenfeld beschäftigt oder mit einer Tätigkeit, dann bekommt man Scheuklappen. Und die wollte ich wieder ablegen und wollte einfach auch mal wieder andere Sachen machen und ich habe einen Höllenspaß daran gehabt, mit der Band zu touren und mit der Band zu arbeiten. Und darum werden wir das auch weitermachen. Weil es noch einmal was völlig anderes ist, wenn Du mit Leuten auf Tour bist, als wenn Du mit Leuten einen Blog machst. Das ist einfach eine ganz andere Geschichte. Ich habe im Sommer 2011 bei einer dreiwöchigen Auszeit lange drüber nachgedacht. Dabei sind mir noch ganz andere Sachen aufgefallen: Zum Beispiel, dass meine Söhne, die jetzt zehn und dreizehn sind, quasi mitten in ihrem Kinder- und Jugendlichendasein stehen und von digitalen Medien umgeben sind und natürlich auch andere Sachen tun, dass die mich nur vor dem Rechner kennen. Sie haben mich nie anders kennengelernt. Dass ich früher mal „auf krass“ gemacht habe und Musik einen ganzen anderen Stellenwert hatte, als es in den letzten zehn Jahren der Fall war, das wussten die nicht. Und irgendwie dachte ich, es ist mir wichtig, Kunst und Irrsinn und Quatschmachen auch als Erwachsener sichtbar zu machen. Und das hat ganz gut funktioniert. Ich glaube, dass es gut ist für Kinder, wenn sie einfach verschiedenste Dinge sehen und damit auch selbst entdecken können.

Ich: Nun habt Ihr dafür Euren Proberaum zusammen mit Hornbach (Siehe Disclosure) eingerichtet. Steht noch alles?

J. Haeusler: Na klar (er lacht). Ja, ja, das steht noch alles. Es ist tatsächlich so, dass ich heute Abend Besuch kriege von einer anderen Band, die das auch machen will, die das gesehen hat und sich jetzt auch so einrichten will. Die holt sich jetzt etwas Beratung von uns ab, wie man das am besten macht. Die hat die Videos gesehen und da ich einen von denen entfernt kenne, hat er gefragt, ob er nicht mal gucken könnte und ich kann ihnen sagen, wo es am teuersten wird und wo die Probleme liegen. Insofern ist das schon beachtet worden. Das war natürlich für uns auch eine irre Geschichte, weil wir ja erst mal gestartet sind und alles wieder selbst gemacht haben. Wir haben die Rechte an den alten Platten zurückgeholt und das kostet natürlich alles einiges an Geld. Und auch eine Arbeitsatmosphäre hinzukriegen, in der man gut arbeiten kann, ist alles eine Investition. Da hat Hornbach halt wahnsinnig geholfen. Also dass wir gesagt haben, wir machen eine Aktion mit Euch zusammen, die am Ende natürlich auch eine Werbeaktion ist, das ist ja auch in Ordnung. Aber wo die Band sich nicht verbiegen muss, wo die Band was von hat und wo man auch anderen Musikern noch ein paar Ratschläge mit auf dem Weg geben kann. Und das fand ich eine super Kombi.

Ich: Vielen Dank, Johnny, für das Telefonat!

Eines wird die re:publica sicherlich nicht mehr sein: eine angeblich große Klassenfahrt. So ein Schwachsinn. Wer wollte schon an seine Schulzeit erinnert werden, wenn er doch viel mehr bewegen könnte als nur ein Stück Kreide an der Tafel. Es gilt, zuzuhören, Notizen zu machen und sich eine Meinung zu bilden. Damit das Next Big Thing auch zukünftig ein Ort ist, um Menschen zu treffen und Geld zu verdienen.

(Disclosure: Hornbach ist ein Kunde von achtung!, meinem Arbeitgeber. Dieser Artikel entstand außerhalb eines Arbeitsauftrags und in eigenem privaten Interesse.)

 

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