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Auf ein kurzes Telefonat mit Christian Berkel

Foto: Gregor Hohenberg

Christian Berkel: „Alle Aufführungen werden einen locker-leichten, improvisierten Charakter haben.“

Wir tauschen uns aus. Wir sprechen, singen, tanzen, werfen uns Blicke zu. Wir führen Monologe, Dialoge, Tetraloge. Wir teilen uns mit. Und beachten zumeist nicht, welche Störquellen wir überwinden müssen, um unsere Botschaft zu setzen.

Kann aber auch sein, dass sich innovative Wege entwickeln, Mitmenschen zum Nachdenken zu bewegen. Und über das Nachdenken das Botschaftspaket abliefern, ohne Risiko der Retour. Ich denke, das ist die höchste Form der Kommunikation. Heruntergebrochen ist das, wie ich finde, auch die höchste Form, einen Dialog zu führen.

Christian Berkel, deutscher Schauspieler aus Filmen wie Der Untergang, Das Experiment oder Inglourious Basterds, kann das. Sogar in einer besonderen Form. Zusammen mit Dekel Bor, israelischer Jazzmusiker, begibt er sich in eine Improvisation, die ihresgleichen sucht. Gesellschaftliche, kulturelle Relevanz in Form von Text und Musik, serviert von zwei Charismatikern. Der Ort dafür: die diesjährige TEDx in Hamburg, jener Konferenz mit Rednern, die alle gegen die Zeit reden – nämlich gegen 18 Minuten. Das Tablett trägt 2014 den Namen „Urban Connectors“ und bildet für Berkel und Bor den Schmelztiegel erinnerungswürdiger Vorstellungskraft.

Noch vor ihrem Auftritt erhielt ich die Chance, kurz mit Berkel zu telefonieren. Und so kam es, dass mich sein Sinn von Kommunikation schon etwas mehr interessierte als seine Filme. Ohne sie verkennen zu wollen.

Ich: Herr Berkel, Sie treten am 1. April auf der TEDx auf, zusammen mit Dekel Bor. Es geht um Dialog. Oder vielleicht auch Schaffen von Verständnis zwischen Wissenden und Unwissenden. Können Sie kurz erklären, was genau Sie vorhaben?

C. Berkel: Das ist auf eigenartige Weise entstanden. Eines Tages kontaktierte die Presseagentin von Dekel Bor meine Agentin, weil Dekel mich kennenlernen wollte. Dann haben wir einfach miteinander telefoniert und er erzählte mir, dass er mich bei einem Konzert in Deutschland im Fernsehen sah und später auch von dem jüdischen Anteil in meiner Familie erfahren hatte. Sein Wunsch entstand, etwas mit mir zu machen, künstlerisch. Das Duett, das wir auf der TEDx performen, ist aus einer Reihe, die er mit verschiedenen Künstlern, teils Leuten ohne musikalischen Hintergrund, also Schriftsteller, Maler oder Schauspieler, durchführte. Er tritt mit ihnen gemeinsam auf – er spielt und sie lesen. Zuerst war es für Berlin geplant und dann gingen wir schnell über die Stadtgrenzen, sogar Landesgrenzen, hinaus. So kam Tel Aviv hinzu. Ja, und auch die TEDx in Hamburg, in Berlin und demnächst auch in New York.

Ich: Und Ihre Performance mit Dekel bei der TEDx steht dabei im Zeichen „ehrlichen, authentischen Menschendialogs“. Auch das Thema Holocaust war dabei, wenn ich mich recht entsinne, also es wird thematisiert …

C. Berkel: Im weitesten Sinne des Wortes, ja. Nicht Holocaust unmittelbar. Familiär schon. Meine Mutter war in Frankreich in einem Lager. Davon werde ich eventuell erzählen. Richtig planen werden wir unseren Auftritt erst, wenn er am Sonntag herkommt. Alle Aufführungen werden einen locker-leichten, improvisierten Charakter haben. Wir werden darum vieles der Richtung, in die es gehen soll, erst kurz vorher feststellen. Wir werden aber nur grob die Linie abstecken. Ein großes Thema für uns beide ist der Begriff Erinnerung. In diesem Zusammenhang werde ich von Proust berichten und er wird sich in seiner Weise dazu verhalten.

Ich: Sie treten also in eine kulturellen Dialog.

C. Berkel: Ja.

Ich: Welche Rolle spielt auf dieser Ebene der Austausch zwischen Deutschland und Israel?

C. Berkel: Der spielt eine große Rolle. In den letzten Jahren hatte ich das Gefühl, in Deutschland ist der Austausch stark ins Stocken geraten. Nicht auf politischer Ebene. Doch teils in der Bevölkerung, teils in den Medien. Ich habe mich auch in einem Fall in einem offenen Brief in der WELT an Jacob Augstein dazu geäußert, hinsichtlich der geführten Debatte um das Gespräch zwischen ihm und Graumann. Das war, nachdem er auf die Liste des Simon Wiesenthal Center gesetzt wurde. Dadurch hatte ich sehr stark das Gefühl, dass der Dialog merkwürdig geworden ist. Man versucht eigentlich, Ressentiments gegenüber dem Antisemitismus über den Umweg Israels zu äußern. Man spricht kritisch zur Politik Israels – was man ja gerne tun kann – bringt aber ganz andere Sachen ins Spiel. Und die Dinge wurden auch verdreht. So darf man nicht vergessen, dass Israel im Grunde das einzige demokratische Land im Nahen Osten ist, umgeben von nichtdemokratischen Ländern. Um es einmal vorsichtig zu formulieren. Das ist eine spezielle Situation. Man kann natürlich grundsätzlich fragen, ob wir, sei es in der Politik, sei es in bestimmten Medien, in erster Linie dazu aufgerufen sind, den Israelis zu sagen, was sie zu tun oder zu lassen haben. Der Ton, der dabei angeschlagen wurde, war für mich fragwürdig.

Ich: Sie wählen dafür jetzt den Dialog aus Text und Musik. Ab wann kann man davon ausgehen, dass es auch eine Form von Verständnis sein kann? Ich meine, Musik funktioniert als Weltsprache. Sie widmen sich dem Thema aus zwei Perspektiven. Sie stammen beide aus jeweiligen Ländern und bringen Ihren kulturellen Hintergrund mit sich. Kann ja doch eine Menge Überraschungen mit sich bringen, oder?

C. Berkel: Ich gehe davon aus, dass es das tut. Das ist ja auch der Sinn jeder Improvisation. Das ist natürlich für Dekel, der aus dem Jazz kommt, in der Musik ein ganz normaler Vorgang. Auch dort gibt es ja eine Thematik, die variiert. Ich kenne es in meiner Sprache auch auf der Bühne und vor der Kamera. Das Spannende ist nun, wie wird es in der englischen Sprache passieren? Immerhin sprechen wir Englisch, weil er kein Deutsch spricht und ich kein Hebräisch. Insofern ist das noch einmal eine eigene Erfahrung.

Ich: Ich las in einem Interview die Frage, wie Sie erzogen wurden. Sie antworteten: „Streng, leistungsbetont. Aber es gab einen Bereich, da herrschte die totale Freiheit: Alles, was mit Kultur zusammenhing, war jederzeit erlaubt.“ Kann Kunst einen Dialog zwischen Eltern und Kindern erleichtern?

C. Berkel: Also in meinem Fall war es ganz gewiss so. Das setzt natürlich für beide Seiten voraus, dass das eine mögliche Dialogform ist. Einfach gesagt: Wenn die Kinder Spaß an Theateraufführungen haben, Spaß an Musik haben, dann kann es ein ganz tolles Kommunikationsmittel sein.

Ich: Vielen Dank, Herr Berkel.

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